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Burnout im Boden - das Ojas der Erde

  • Autorenbild: Markus Ludwig
    Markus Ludwig
  • 11. Juni
  • 4 Min. Lesezeit

Eine ehemalige Ackerfläche, ein erschöpfter Boden – und ein ayurvedischer Blick auf Prakriti, Vikriti und das verlorene Ojas.

Ausgelaugte, verdichtete, nackte Erde - als Basis unserer Ernährung/Gesundheit!?
Ausgelaugte, verdichtete, nackte Erde - als Basis unserer Ernährung/Gesundheit!?

Einleitung

Als ich das erste Mal auf diese Erde trat, wirkte sie still.

Aber nicht wie die Stille eines Waldes – eher wie die eines Körpers, der zu lange gearbeitet hat und nun erschöpft und in sich zurückgezogen daliegt.

Die Erde ist hart. Verdichtet. Grau. An manchen Stellen krustig. Bodenleben, wie Würmer? Kaum zu finden. Die wenige Vegetation wirkt irgendwie verloren – meist Reste dessen, was ihr aufgezwungen wurde. Fast, als hätte das Feld den Atem angehalten.


Was bedeutet das? Und wie lässt sich ein solcher Zustand nicht nur ökologisch, sondern auch ayurvedisch verstehen? Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer Reihe, die genau diesen Versuch unternimmt: Den Boden nicht bloß als Substrat zu betrachten, sondern als lebendiges System – mit Konstitution, Kräften, Dysbalancen und regenerativem Potenzial.



Prakriti, Vikriti und Ojas – Ayurveda trifft Erdbeobachtung

Die ayurvedische Lehre bietet drei grundlegende Konzepte, die sich auch auf den Boden übertragen lassen:


  • Prakriti beschreibt die natürliche Konstitution – die typische Beschaffenheit, Struktur und Qualität eines Bodens in seinem Ursprungszustand.

  • Vikriti benennt den aktuellen, gestörten Zustand – also die Abweichung von der natürlichen Konstitution durch Übernutzung, Verdichtung oder andere Belastungen.

  • Ojas steht für die vitale Lebensessenz – jene Kraft, die einem Boden Resilienz, Lebendigkeit und Regenerationsfähigkeit verleiht.


Diese drei Begriffe lassen sich mithilfe der Tridosha-Lehre – dem Zusammenspiel von Vata (Bewegung), Pitta (Transformation) und Kapha (Struktur) – differenziert betrachten. Sie bildet die Grundlage für alle weiteren Einschätzungen und erlaubt es, Disharmonien zu erkennen und daraus konkrete Maßnahmen zur Regeneration abzuleiten.



Unser Boden im Spiegel der Ayurveda-Konzepte


  • Prakriti: kapha-betont. Die Erde war ursprünglich schwer, bindend, mit guter Wasserhaltekapazität – potenziell fruchtbar, aber empfindlich für Verdichtung.

  • Vikriti: Verdichtung, Humusverlust, fehlende Durchlüftung, kaum sichtbares Leben. Die Dosha-Analyse ergibt ein Übermaß an "schwer", "kalt", "statisch" – klassische Kapha-Störung. Dazu geschwächtes Vata (fehlende Bewegung) und erschöpftes Pitta (kein stofflicher Wandel).

  • Ojas: Kaum spürbar. Kein Wurmleben. Kein Humus. Keine feinkrümelige Struktur. Stattdessen Kompaktheit, Inaktivität, reaktive statt kreative Qualitäten.

Auch nach 3 Jahren, trotz sich erholendem Bewuchs (s.u.) ist praktisch kein Humus bzw. Bodenleben vorhanden. Ich gehe davon aus, dass es noch ca. 10 weitere Jahre benötigt, bis man von einem vitalen Boden reden kann...
Auch nach 3 Jahren, trotz sich erholendem Bewuchs (s.u.) ist praktisch kein Humus bzw. Bodenleben vorhanden. Ich gehe davon aus, dass es noch ca. 10 weitere Jahre benötigt, bis man von einem vitalen Boden reden kann...


Was Ojas im Boden bedeutet

Ojas ist im Ayurveda jene feine Qualität, die Lebendigkeit, Widerstandskraft und innere Kohärenz schenkt – im Körper wie im Boden. Es ist kein einzelner Stoff, sondern ein Ausdruck von gelungener Integration: von funktionsfähiger Struktur, Vitalität und intelligenter Reaktionsfähigkeit.

Ein Boden mit gutem Ojas lebt. Er duftet. Er atmet. Er ist durchwirkt von Myzelien, durchzogen von Gängen der Regenwürmer, offen für Austausch und Bewegung. Er speichert Wasser, ohne sich zu ertränken. Er gibt Nährstoffe frei, ohne sich zu erschöpfen. Er empfängt die Wurzel – und antwortet.

Ein solcher Boden ist nicht nur fruchtbar, sondern auch beziehungsfähig. Er kann sich auf Wetterlagen einstellen, auf neue Pflanzen, auf Schädlinge, auf Übergänge zwischen den Jahreszeiten.

Ojas ist dabei kein Zustand, den man "herstellen" kann, sondern ein Ausdruck dafür, dass alle beteiligten Kräfte – Vata, Pitta, Kapha – in lebendigem Gleichgewicht wirken.


Das Ziel unserer Bemühungen ist nicht nur Bodenverbesserung – sondern die Wiederherstellung dieser leisen, atmenden Vitalität.



Merkmale für gesunden Boden – oder: Woran erkennt man Ojas?


  1. Reiche Bodenfauna – z. B. Regenwürmer, Springschwänze, Milben, Mikroorganismen

  2. Fein gekrümelte Bodenstruktur – Zeichen für aktives Leben und gute Durchlüftung

  3. Hoher Humusanteil – dunkle Farbe, Schwammstruktur

  4. Pflanzenrückmeldung – vitales Wachstum, tiefe Verwurzelung, geringe Anfälligkeit

  5. Geruch & Haptik – frischer, waldiger Geruch, federnde Konsistenz

  6. Gute Wasserhaltefähigkeit – ohne Staunässe


All diese Parameter fehlen auf der ehemaligen Ackerfläche derzeit weitgehend oder sind nur in Ansätzen vorhanden.



Die Diagnose: erschöpft, verdichtet, reaktionsarm

Unsere Erde zeigt ein klassisches Bild der Übernutzung – durch Befahrung, jahrzehntelangen auszehrenden Ackerbau, starke Erosion und mangelnde organische Rückführung.

Ayurvedisch gesprochen: Kapha-Verdichtung, Vata-Mangel, Pitta-Inaktivität, Ojas-Verlust.

Es geht hier nicht darum, einfach weiter zu „bearbeiten“. Sondern darum, "therapeutisch" zu handeln – wie bei einem ausgezehrten Körper: mit Geduld, Achtsamkeit und regenerativer Zuwendung.



Therapieansatz – Erste Maßnahmen


Kurzfristig:

  • Bodenruhe – keine Bearbeitung, kein Druck

  • Erste Mulchung mit standorttypischem Material (Laub, Gräser)

  • Beobachtung & Dokumentation – weitere Analyse, sowie ein Bodentagebuch beginnen


Mittelfristig:

  • Pionierpflanzen wie Königskerze, Labkraut oder Beinwell können standorttypisch zur Tiefenlockerung und Strukturstabilisierung beitragen. Auch Phacelia und Luzerne sind oft hilfreich – allerdings nur begrenzt dauerhaft konkurrenzfähig.

  • Erosionsschutz – durch lebendige Bodendecke und Wasserlenkung

  • Pilzaufbau fördern – z. B. durch Mykorrhiza, Komposttee

  • Wasserhaushalt verbessern – Versickerung statt Abfluss


Langfristig:

  • Dauerhafte Begrünung mit abgestimmten Pflanzengemeinschaften

  • Aufbau eines stabilen Bodenmikrobioms durch kontinuierliche Vielfalt

  • Beobachtung der jahreszeitlichen Dosha-Dynamik – z. B. Wind, Hitze, Feuchtigkeit, Kühle

    Nach 2 Jahren Ruhe - hat sich die wunderbare Regenerationsfähigkeit der Erde durch blühende Vielfalt, zunehmenden Summen und Zwitschern gezeigt.
    Nach 2 Jahren Ruhe - hat sich die wunderbare Regenerationsfähigkeit der Erde durch blühende Vielfalt, zunehmenden Summen und Zwitschern gezeigt.

Vielleicht beginnt alles mit einer Handvoll Erde – und dem Wunsch, wieder Leben bzw. Perspektive zu spüren.

Und vielleicht stellt sich am Ende auch die Frage: Möchte ich mich wirklich von einer Erde ernähren, die selbst so erschöpft ist? Was macht das mit mir?


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